Anders als die Bogengänge nehmen die Macula-Organe nicht Drehbewegungen, sondern lineare Beschleunigungen wahr. Sie stehen ebenfalls rechtwinklig zueinander. Mit dem Sacculus werden vertikale Beschleunigungen (Lift fahren), und mit dem Utriculus horizontale Beschleunigungen (Auto bremst, beschleunigt) wahrgenommen. Beschleunigungen werden wiederum von Sinneshaaren (Zilien) der Sinneszellen wahrgenommen. Die Sinneshaare sind in einer gallertigen Membran, welche noch über Kalzitkristalle, die Otolithen, verfügt, um die Empfindlichkeit zu verbessern. Um die Gallerte ist die Flüssigkeit Endolymph. Bei einer Beschleunigung werden wiederum die Härchen der Sinneszellen verbogen und diese Informationen über den Utriculus- und Sacculusnerv (Nervus utricularis und saccularis, Faser des Gleichgewichtsnerv Nervus vestibularis) an das Gehirn weitergeleitet.
Funktionsstörungen der Otolithen können den gutartigen Lagerungsschwindel hervorrufen.
Blickstabilisierung
Um den Blick bei bewegten Objekten oder bei bewegtem Kopf zu stabilisieren, werden die Augen über den Vestibulookulären Reflex, über das Sakkadensystem und über das Blickfolgesystem gesteuert.
Vestibulookulärer Reflex VOR
Da das Gleichgewichtsorgan mit den Augenmuskeln verknüpft ist, ermöglicht die visuelle Wahrnehmung bei einer Kopfbewegung ein stabiles Bild. Bei Fixierung eines Punktes und Bewegung des Kopfes führt dieser Reflex dazu, dass sich die Augen nach ca. 7.5ms in die Gegenrichtung mit nahezu identischer Geschwindigkeit (Verstärkung, Gain = 1) bewegen. Somit kann das Bild stabilisiert werden bei Kopfbewegungen von bis zu 400°/s. Bei solchen Geschwindigkeiten ist nur der VOR in der Lage, das Bild scharf zu stabilisieren, das Sakkaden- und Blickfolgesystem können dies nicht gewährleisten. Dieser Reflex wird bei einigen Messverfahren zur Prüfung des Gleichgewichtorgans genutzt. Da das Gleichgewicht im Innenohr ist, haben wir keinen direkten Zugang. Mithilfe des Aufnehmens und der Auswertung der Pupillenbewegung können Rückschlüsse auf den Zustand des Gleichgewichtorgans gemacht werden. Dazu wird die Pupille mit einer hochauflösenden Kamera aufgenommen.
Sakkadensystem und Blickfolgesystem
Sakkadensystem
Als Sakkaden bezeichnet man sehr schnelle Augenbewegungen (ca. 200 bis 700°/s). Sie dienen dazu, dass ich im Blickfeld ein springendes Objekt anvisieren kann (Kopf bewegt sich nicht) und können somit absichtlich sein. Sie können aber auch als Rückstellbewegung bei Nystagmen auftreten (schnelle Phase, unabsichtlich). Dabei werden versteckte Rückstellsakkaden (engl. covert catch-up saccade) und sichtbare Rückstellsakkaden (engl. overt catch-up saccade) unterschieden.
Blickfolgesystem
Das Blickfolgesystem dient dazu, dass die Augen einem bewegten Objekt folgen können (Kopf bewegt sich nicht), z.B. wenn ich an der Strasse stehe und nur mit den Augen einem Radfahrer nachschaue. Es ist also für langsame Augenbewegungen zur Folgung eines Sehziels verantwortlich. Das Sehziel darf maximal ca. 100°/s schnell sein, damit es das Blickfolgesystem fixieren kann.
Zusammenspiel von Sakkaden- und Blickfolgesystem
Ist zu Beginn eine Abweichung vom Sehziel vorhanden, z.B. weil ein Objekt plötzlich auftaucht bzw. wegen der Latenz des Blickfolgesystems (min. 70ms, meistens ca. 100ms), so führt das Sakkadensystem mit einer sehr schnellen Augenbewegung den Blick sofort auf dieses Objekt. Ist der Blick auf dem Objekt, übernimmt das Blickfolgesystem, um dem Objekt zu folgen. Ist das Blickfolgesystem zu träge bzw. das Objekt zu schnell, so treten Sakkaden auf. Bei einem gestörten Blickfolgesystem treten bei der Blickfolge bereits bei Bewegungen unter 50°/s Sakkaden auf.
Nystagmus
Unter Nystagmus versteht man eine ganz schnelle zuckende Augenbewegung in horizontaler oder vertikaler Richtung. Der Nystagmus ist von einer langsamen und einer schnellen Phase in die Gegenrichtung gekennzeichnet. Durch eine zu langsame Augenbewegung weicht das Auge von der gewünschten Position ab und muss eine Positionskorrektur, die schnelle Phase vornehmen, damit der Blick stabilisiert werden kann. Diese Korrektur wird zentral (Hirnstamm) gesteuert. Das langsame Abweichen der Augen ist das Problem, welches den Nystagmus auslöst. Je höher die durchschnittliche Geschwindigkeit der langsamen Phase (øGLP, øSPV slow phase velocity), desto stärker ist der Schwindel. Bei den Nystagmen werden rechts- und linksschlagende, sowie auf- und abwärtsschlagende Nystagmen unterschieden. Die Schlagrichtung ist nach der Richtung der schnellen Phase benannt.
Video Horizontale Nystagmen